Schwerpunkt Allgemein, Christliches Profil, Menschlichkeit verbindet
Arrivederci! Abschied von Papst Franziskus

„Der Papst sagt ‚Buona Sera‘“, titelte am 13. März 2013 der STERN. Diese ersten öffentlichen Worte des neuen Papstes waren Ausdruck der Sensation dieser Papstwahl. Jetzt ist Papst Franziskus im Alter von 88 Jahren gestorben – und mit ihm ein wahrhaft sensationeller Papst.
Franz von Assisi als Vorbild
Der erste nicht-europäische Papst seit dem 8. Jahrhundert, der erste Ordensmann im Papstamt seit 170 Jahren wählte einen Namen, den noch kein Papst vor ihm getragen hat: Franziskus. Der Name des für seine Liebe zur Armut und zur Natur bekannten heiligen Franz von Assisi war Programm.
Dieses Kirchenoberhaupt zog nicht in die päpstlichen Gemächer, sondern blieb im Gästehaus wohnen, um auch privat Menschen um sich zu haben. Er setzte sich massiv für die Schöpfung ein – für Nachhaltigkeit und Klimaschutz genauso wie für Menschenwürde und soziale Gerechtigkeit. In der Kirche versuchte er, Subsidiarität zu praktizieren und kollegiale Leitung zu fördern – eine Chance, die die Bischöfe erstaunlicherweise nicht ergriffen und die Franziskus gegen Ende seines Pontifikates auch teilweise aufgab.
Blick auf den Notstand außerhalb Europas
Papst Franziskus war der erste lateinamerikanische Papst. Wir europäische Katholiken mussten uns an den fehlenden Eurozentrismus erst gewöhnen – vielleicht war das die stärkste Lektion, die er mir erteilt hat. Unsere deutschen Themen – Mitbestimmung in der Kirche, zeitgemäße Formate und Ämter – standen plötzlich nicht mehr im Fokus. Das war gut, weil es konsequent den Blick auf brennenden Notstand auf anderen Kontinenten lenkte, und…
… und es war punktuell meine größte Enttäuschung. Sexueller und geistlicher Missbrauch hätten mehr Aufmerksamkeit unseres Kirchenoberhaupts gebraucht. Und hunderttausende Kirchenaustritte in Deutschland dürfen einen Oberhirten nicht kalt lassen.
Vorbild an Menschlichkeit und innerer Größe
Seine kulturelle Prägung – oft benannt wurde Machismo – kollidierte immer wieder mit seiner Haltung der Barmherzigkeit. Franziskus betraute Frauen mit kirchlichen Führungspositionen und verwehrte ihnen Weiheämter. Er sprach respektlos über Genderthemen und brachte gleichzeitig mit Segnungen für Homosexuelle die afrikanische Bischofskonferenz gegen sich auf.
Sein eigenes Denken in Frage zu stellen und zu korrigieren, verunsicherte diejenigen, die im Papst eine unhinterfragbare Autorität suchen; in meinen Augen machte es ihn zu einem Vorbild an Menschlichkeit und innerer Größe.
Das neueste Papst-Buch „Der Unvollendete“ beschreibt seine Ambivalenz.
- Dieser Papst lebte Jesus-Nachfolge:
- Er redete und schrieb so, dass normale Menschen es verstehen können – auch lehramtliche Schreiben, und das ist für mich nach 30 Jahren als Theologin eine Sensation.
- Er nahm die menschliche Realität mit ihrer Würde, ihren Potentialen und ihren Abgründen ernst.
- Er ließ sich von der Realität belehren, war lern- und entwicklungsfähig.
Buona sera!
Papst Franziskus ist seinem unvergesslichen „Buona sera!“ treu geblieben und hat sich nicht verbiegen lassen: Er war bei den Menschen, sprach ihre Sprache und rief ohne Vorzimmer Leute an, mit denen er sprechen wollte.
Man ahnt nur, wie viel Kraft es ihn gekostet hat, diese Haltung im Machtzentrum Vatikan zu bewahren.
Möge er jetzt im Original sehen, wofür er sein Leben eingesetzt hat. Möge er Frieden und Freude bei Gott finden – eine Wohnung im Himmel, in der er in guter Gesellschaft ausruhen, leben und lachen darf!
Ein Beitrag von Cäcilia Branz, Leiterin Fachbereich Christliches Profil
Stimmen aus dem EVV zum Ableben des Papstes
Als Papst Franziskus am 13.03.2013 zu Papst gewählt wurde, begann eine Zeit, in der er mich sehr beeindruckt hat. In seinem ersten großen Interview bezeichnete er die Kirche als „Feldlazarett“. Immer wieder forderte er eine auf die Welt bezogenen Kirche, die an die Ränder geht zu den Armen und Kleinen, die ihre Gemütlichkeit aufgibt und immer mehr eine Kirche der Armen wird. Sein Verzicht auf päpstlichen Prunk, der Besuch der Flüchtlinge auf Lampedusa und die Fußwaschung in einem Jugendgefängnis am Gründonnerstag haben mein Bild von einem Papst ziemlich durcheinandergeschüttelt. Seine Warnung vor einer „Globalisierung der Gleichgültigkeit!“ und einer „Wirtschaft, die tötet!“ sind mir nicht mehr aus dem Sinn gegangen. „Mir ist eine „verbeulte“ Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straßen hinausgegangen ist, lieber, als eine Kirche, die aufgrund ihrer Verschlossenheit und ihrer Bequemlichkeit, sich an die eigenen Sicherheiten zu klammern krank ist“, so der Papst.[1]
Ich war damals Diözesan Caritasdirektor in Hildesheim und ich kann sagen, dass ich diesen Papst inspirierend fand. Mit Papst Franziskus im Rücken und oft genug auch im Nacken plädierte ich damals für eine konsequente Verweltlichung unserer Kirche und ihrer Caritas. Weil Gottes Inkarnation in Jesus Christus allen Menschen galt und es ihm darum ging, den Armen die Frohe Botschaft zu bringen, geht es um einen konsequenten Weg in die Welt.
Gott liebt nicht unter bestimmten Bedingungen, erst recht nicht nur die, die brav sind, seine Liebe ist inklusiv und nicht exklusiv, sie ist barrierefrei und gilt nicht nur denen, die eine gültige Eintrittskarte gekauft haben.
Auch, wenn es in den letzten 12 Jahren des Pontifikats von Franziskus viele Gelegenheiten gegeben hat, in denen ich mir einen innerkirchlich mutigeren Papst gewünscht hätte, seine Ortsbestimmung der Kirche trägt mich bis heute.
Dr. Hans-Jürgen Marcus, Aufsichtsratsvorsitzender EVV
[1] Papst Franziskus: Die frohe Botschaft Jesu. Aufbruch zu einer neuen Kirche, Ziffer 49, Leipzig 2014, 34
In dem, was Papst Franziskus sagte und tat und wofür er sich stark machte, habe ich immer eine große Nähe zur hl. Elisabeth und unseren Gründerinnen wahrgenommen. Elisabeth verstand sich als eine Schülerin des hl. Franziskus. Die erste Sorge unserer Gründerinnen galt den verlassenen armen Kranken in ihren Wohnungen. In der Nachfolge dieser Frauen stehen wir auch mit unseren Krankenhäusern und MVZ. Daher sollten wir die Lehren, die uns Papst Franziskus als Erbe hinterlassen hat, auch nach seinem Tod nicht einfach zu den Akten legen.
Die Zukunft unserer Welt, im beruflich/ privaten Kleinen wie im gesellschaftlich/ globalen Großen hängt davon ab, dass es, wie Papst Franziskus oft betonte, weiterhin Menschen gibt, die den Mut haben, sich der Liebe Gottes zu öffnen und sich nach Kräften darum bemühen, anderen diese Liebe zu vermitteln.
Sr. M. Dominika Kinder, stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende EVV
Ich schätze an Papst Franziskus sehr sein Bestreben, viele Themen in der Kirche in die heutige Zeit hinein zu buchstabieren und gleichzeitig die überlieferten Inhalte des Glaubens in Treue weiterzutragen. Seine Option für die Armen und die am Rande der Gesellschaft bewegen und bestärken mich. Mit gefällt seine spontane und zum Teil unkonventionelle Art, wenngleich ich auch sehe, dass dies anderen Menschen auch Mühe bereiten kann. Ich schätze sehr seine Weltoffenheit und seine Bemühungen um Frieden in Krisengebieten. Die Menschen und deren Lebenssituationen sind ihm ein zentrales Anliegen, das für mich im Kontakt mit Menschen auf allen Ebenen deutlich wird. Er ist für mich ein Zeuge des christlichen Glaubens und ein Bruder in der eigenen Suche eines glaubhaften christlichen Lebens.
Sr. M. Teresa Slaby, Generaloberin Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Vinzenz von Paul in Hildesheim
Papst Franziskus stand vor der Herausforderung, einen Epochenwandel in Kirche und Gesellschaft zu gestalten. Mit dem Instrument des Synodalen Wegs, der Begegnung aller Getauften auf Augenhöhe, stemmte er sich gegen den Klerikalismus. Ein Wandel für die hierarchische Kirche, die sich in eine neue Kultur entwickeln soll. Gleichzeitig stand er vor der Herausforderung, „den Laden zusammenzuhalten“. Da hätte ich mir mehr Mut von ihm gewünscht! Mut, auch verschiedene Wege in zentralen Reformfragen (Frauenpriestertum, Freistellung des Zölibats, u.a.) zuzulassen.
Jürgen Steffes-Ollig, Leiter Elisabeth Vinzenz Institut
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Marco Politi, Der Unvollende. Franziskus‘ Erbe und der Kampf um seine Nachfolge, Herder 2025
Der Unvollendete. Franziskus‘ Erbe und der Kampf um seine Nachfolge | Buch | Online kaufen
Interview Deutschlandfunk zu diesem Buch: Der Unvollendete: Marco Politi über sein Porträt eines widersprüchlichen Papstes
Fotocredits:
Portraits Dr. Marcus, Sr. M. Dominika Kinder, Sr. M. Teresa Slaby, Jürgen Steffes-Ollig, Cäcilia Branz: EVV / Manuel Tennert
Beitragsbild: Foto von Ashwin Vaswani auf Unsplash
Papst in Menschenmenge: Foto von Ágatha Depiné auf Unsplash