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Mental Load?

Nach wie vor ist die Organisation des Familienalltags überwiegend ein Thema der (werdenden) Mütter – und eine große Belastung für diese. Warum das so ist, wie man das ändern kann und welche Bedeutung der Geburtshilfe dabei zukommen kann, damit hat sich Anke Matthischke, Hebamme im Krankenhaus St. Joseph-Stift Dresden, beschäftigt.

Die geteilte Care-Arbeit ist spätestens seit Einführung der Vätermonate in der Elternzeit ein gesellschaftlich breit diskutiertes Thema. Rund 46% der Väter nehmen laut Statistischem Bundesamt mittlerweile Elternzeit und bringen sich auch sonst aktiv in Familienleben und Erziehung ein. Trotzdem besteht weiterhin ein großes Ungleichgewicht in der elterlichen Rollenverteilung, weil die Organisation des Familienalltags in den meisten Fällen weiterhin von den Müttern gemanagt wird.

Mental Load?

Die kognitive Sorge-Arbeit (=Mental Load) ist im Gegensatz zu Haushalt und Betreuung kaum sicht- und messbar. Dafür bleibt sie meist dauerhaft bei den Frauen, da diese schon während der Schwangerschaft automatisch in die Rolle der „Organisatorin“ geraten und den überwiegenden Teil der Elternzeit nehmen.

Begünstigt wird dies durch tradierte Rollenmuster, die sich hartnäckig in den Köpfen halten, und ein real existierendes Ungleichgewicht bei der gleichwertigen Bezahlung, weshalb nach der Geburt überwiegend die Frauen ihre Arbeitszeit zugunsten des Familienalltags reduzieren. Diese langjährige Arbeitsteilung muss nicht zwangsläufig für Frust sorgen – aber die Gefahr ist da.

Denn Mental Load ist eine große Belastung, die sich mit der Zeit in Burn-out-ähnlichen Symptomen äußern kann wie Gereiztheit, Erschöpfung, Freudlosigkeit, Vergesslichkeit, Rückzug und Vermeidung. Hinzu können auch körperliche Symptome wie Hypertonie oder Tachykardie kommen. Und Paare mit Kindern trennen sich statistisch häufiger, weil die gemeinsame Idee der Lebensgestaltung fehlschlägt – daran hat ungleiche Belastung durch Mental Load ihren Anteil.

Anke Matthischke, Hebamme im St. Joseph-Stift Dresden

Arbeitsteilung partnerschaftlich planen

Anke Matthischke ist Hebamme im St. Joseph-Stift und beschäftigt sich schon länger mit Mental Load. Sie rät Paaren, sich bereits in der Schwangerschaft damit auseinandersetzen und es als dauerhaftes Thema für sich annehmen. Neben den eigenen Erwartungen sollte vorab die Arbeitsteilung in der Schwangerschaft und später Familie thematisiert werden: Paare können konkret bereits die Erstausstattungsliste unter sich aufteilen, den Kinderwagen nach der Größe des Mannes aussuchen und Vorsorgetermine gemeinsam wahrnehmen.

Auch das Ausfüllen der Anträge sollte zusammen erledigt werden. Durch das gemeinsame „Abarbeiten“ werden viele anstehende Aufgaben zudem gut sichtbar und man kommt ins Gespräch darüber.

Nach der Geburt sollte ein Familienzimmer im Krankenhaus in Betracht gezogen werden, so dass Väter von Beginn an gut in die Abläufe rund um das Neugeborene eingebunden sind. Und Väter kümmern sich idealerweise auch um die weitere Organisation: Entweder, in dem sie selbst Urlaub, Elternzeit oder Überstunden nehmen oder eine andere Person zur Unterstützung organisieren. Alles, was nicht Stillen ist, sollte im Wochenbett die Aufgabe der Väter sein.

Zimmer für drei: Familienzimmer im Krankenhaus St. Joseph-Stift für Vater, Mutter, Kind.

Väter mit einplanen

Anke Matthischke empfiehlt außerdem auch den Hebammen und ihren Kolleginnen und Kollegen in der Geburtshilfe, das Thema Mental Load künftig stärker in den Blick zu nehmen: „Dies kann schon gelingen, indem Väter explizit zu allen Terminen eingeplant sind, im Geburtsvorbereitungskurs darüber gesprochen wird oder es sogar einen eigenen Kursteil nur für Männer gibt.

Weiterhin gilt es in den Vorgesprächen auf die Vorteile der Familienzimmer hinzuweisen. Und nicht zuletzt kann auch die medizinische Indikation des Wochenbetts für Mutter und Kind nicht oft genug betont werden – es ist der ‚Babymoon‘, bei dem die Mutter alles, was nicht innerhalb des Bettes stattfindet, delegieren sollte“, rät sie.

Kuscheln, Stillen, Bonding – für einen möglichst ungestörten „Babymoon“ im Wochenbett.

Familienalltag gemeinsam gestalten

Ein weiterer Tipp von Anke Matthischke sind die Väterabende, die im St. Joseph-Stift regelmäßig mehrmals im Jahr in Kooperation mit dem Männernetzwerk Dresden angeboten werden. Dabei geht es explizit um die Rollenverteilung nach der Geburt und Fragen nach: Wie können Männer bei der Geburt und im Wochenbett unterstützen? Wie tragen sie gelingend zur Gestaltung von Familie, Partnerschaft und Beruf bei?

Mit diesen sehr konkreten Empfehlungen wird zumindest unmittelbar nach der Geburt der Start in einen möglichst unbelasteten Familienalltag jenseits der unsichtbaren Rollenteilung ermöglicht.

 

Beitrag und Fotos aus dem Krankenhaus St. Joseph-Stift Dresden
Claudia Weinhold, Leiterin Unternehmenskommunikation

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