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Ösophagektomie am St. Adolf-Stift

Eine der relativ seltenen schweren Krebserkrankungen ist der Speiseröhrenkrebs mit jährlich ca. 7.500 Fällen deutschlandweit.

Im St. Adolf-Stift wurde die operative Entfernung der Speiseröhre (Fachbegriff: Ösophagektomie) in den vergangenen zwölf Monaten (Stand Juni 2022) insgesamt 29 Mal durchgeführt.

Komplexer Eingriff für Experten

 

Prof. Dr. Tim Strate, Leiter der Chirurgischen Klinik und Chefarzt der Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie des Reinbeker Krankenhauses, im Interview über die Ösophagektomie an seiner Klinik und über die Zusammenarbeit der Viszeralchirurgen im Elisabeth Vinzenz Verbund.

 

Herr Prof. Strate, was genau ist unter einer Ösophagektomie zu verstehen, wie aufwändig ist sie und wer kann sie durchführen?

Prof. Dr. Tim Strate: Bei der Ösophagektomie handelt es sich um die die operative Entfernung des Ösophagus.

Sie kann als totale Ösophagektomie erfolgen, oder subtotal unter Belassen eines Ösophagusstumpfes. Bei einer Teilentfernung spricht man auch von einer Ösophagusresektion.

Wir reden hier über eine totale Entfernung der Speiseröhre als planbaren operativen Eingriff bei Krebspatienten, die zu uns ins St. Adolf-Stift kommen.


Zwei Höhlen: Brustkorb und Bauchraum

 

Die Ösophagektomie ist übrigens der einzige Eingriff in der Viszeralchirurgie, in dem man im Brust- und im Bauchraum gleichzeitig operiert.

Und dies als Hybrideingriff, an der Brusthöhle offen per Thorakotomie und am Abdomen minimal invasiv. Entsprechend bezeichnet man dies auch als Zweihöhleneingriff.

 

Rekonstruktion

Nach der vollständigen Entfernung, der Resektion, erfolgt die Wiederherstellung der Nahrungspassage, die sogenannte Rekonstruktion.

Dies, kurz erklärt, indem man den Restmagen zu einem Schlauch formt und oben wieder an den Speiseröhrenstummel anschließt.

Der gesamte Eingriff dauert in der Regel zwischen dreieinhalb und sieben Stunden und wird nur durch äußerst versierte Operateure durchgeführt, die über entsprechende Erfahrung bei Eingriffen am oberen Verdauungstrakt verfügen.

Bei uns im St. Adolf-Stift sind dies unser Departmentleiter Dr. Human Honarpisheh und ich.

Nach meinem Kenntnisstand sind wir die einzige Klinik mit spezialisiertem Zentrum in Schleswig-Holstein, die diesen Eingriff bei entsprechender Leistungsmenge durchführt.


Im Blick: Patientensicherheit und Patientenservice

Bei der Ösophagektomie handelt es sich um einen großen Eingriff. Wie ist Ihre Klinik hier gerüstet, um etwaige unerwartete Komplikationen zu managen?

Prof. Dr. Tim Strate: Die Sicherheit unserer Patienten genießt einen hohen Stellenwert. Diese werden durch ihre einweisenden Ärzte zu uns überwiesen, da wir im St. Adolf-Stift medizinisch sehr gut auch fachbereichsübergreifend aufgestellt sind – von der Anästhesie über die Endoskopie und Radiologie bis zur Intensivstation. Eben dafür sind wir ja zertifiziert.


St. Adolf-Stift: Partner für Zuweisende Ärzte

Unsere Zusammenarbeit mit den Zuweisern erfolgt partnerschaftlich und, wenn Sie so wollen, arbeitsteilig.

Die Patienten erfahren durch ihre Ärzte in den Regionen, aus denen sie zu uns für den großen Eingriff nach Reinbek kommen, die wohnortnahe Versorgung durch ihre Zuweiser.

Sie müssen bedenken, dass die Patienten vorab Chemo- und/oder Strahlentherapie erhalten. Und nach dem Eingriff durch unsere Experten auch wohnortnah Nachsorge erhalten.

Dafür sind unsere medizinischen Kollegen auch gut gerüstete Partner.

 


Fahrservice für Patienten

Um den Patienten für den Weg ins St. Adolf-Stift den bestmöglichen Service anbieten zu können, holen wir sie übrigens mit unserem Fahrdienst ab.

So zuletzt geschehen mit zwei Patienten, die uns aus unserem Partnerkrankenhaus in Hannover überwiesen wurden, dem Vinzenzkrankenhaus.

Viszeralchirurgische Kompetenzen im EVV

Herr Prof. Strate, Sie sprechen es an. Inwieweit sind Sie als Mediziner vernetzt mit Ihren Fachkollegen in den übrigen 12 Krankenhäusern des Elisabeth Vinzenz Verbundes.

Prof. Dr. Tim Strate: Das St. Adolf-Stift ist nicht das größte, jedoch das einzige Krankenhaus im Elisabeth Vinzenz Verbund, in dem die Ösophagektomie durchgeführt wird.

Insofern freut es mich, wenn Fachkollegen unserer Partnerhäuser ihre Patienten nach Reinbek überweisen.

Im Bereich der Tumorbehandlung und der Viszeralchirurgie ist unser Verbund im Übrigen sehr gut aufgestellt und verfügt insbesondere an den großen Standorten am St. Bernward Krankenhaus Hildesheim mit Prof. Dr. Jörg Pelz (Chefarzt der Allgemein-, Viszeral- und Onkologischen Chirurgie – Anm. der Red.) und am St. Joseph Krankenhaus Berlin Tempelhof mit Prof. Dr. Jörn Gröne (Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie – Anm. der Red.), am Vinzenzkrankenhaus Hannover mit PD Dr. Moritz Kleine (Chefarzt Allgemein- und Viszeralchirurgie – Anm. der Red.) sowie mit Dr. Martin Freitag (Chefarzt Chirurgie am Dresdner St. Joseph-Stift – Anm. der Redaktion) über absolute Experten mit denen ich sehr gern den Austausch ausbauen möchte.


Verbund-Vernetzung weiter ausbauen

Der Elisabeth Vinzenz Verbund ist dezentral aufgestellt und verfügt nicht über eine durchgängige, vorgegebene Medizinstrategie für all seine Einrichtungen. Die Vernetzung innerhalb der medizinischen Fachgebiete lebt viel vom Engagement der handelnden Akteure.

Dieses Engagement müssen wir alle vielleicht noch ein stückweit mehr einbringen, da es viele gute Leute mit einem enormen Wissensstand in unserer Verbundfamilie gibt. Den gilt es weiter zu heben.

Herr Prof. Strate, herzlichen Dank für Ihre Zeit.

Das Interview führte André Schmincke, Leiter Unternehmenskommunikation Elisabeth Vinzenz Verbund

 

Weiterführende Informationen

St. Adolf-Stift als Kompetenzzentrum auf einer Liste mit führenden Unikliniken

Das Krankenhaus Reinbek St. Adolf-Stift wurde Ende 2019 von der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie als eines von sieben Krankenhäusern in Deutschland als zertifiziertes „Kompetenzzentrum Oberer Gastrointestinaltrakt“, also für die Chirurgie des Magens und der Speiseröhre, aufgenommen.

Damit befindet es sich in Gesellschaft führender Unikliniken.

 

Hintergrund Speiseröhrenkrebs

 

Ösophagus

Der Ösophagus (Speiseröhre) ist ein schlauchförmiges Hohlorgan, das die Speisen vom Mund in den Magen transportiert?

 

Speiseröhrenkrebs (Ösophaguskarzinom)

Speiseröhrenkrebs, auch Ösophaguskarzinom genannt, bezeichnet einen Tumor der Speiseröhrenschleimhaut. Deren oberste Schicht besteht aus flachen Zellen, den sogenannten Epithelzellen. Bei Speiseröhrenkrebs verändern sich die Zellen in der Schleimhaut der Speiseröhre.

Fachleute unterscheiden zwei Arten des Ösophaguskarzinoms:

  • Das Plattenepithelkarzinom entsteht aus den flachen Epithelzellen der Schleimhaut, die im gesamten Bereich der Speiseröhre vorkommen. Etwa 4 von 10 Patienten mit Speiseröhrenkrebs sind von einem solchen Karzinom betroffen.
  • Das Adenokarzinom bildet sich aus Drüsenzellen der Schleimhaut, die sich im unteren Abschnitt der Speiseröhre am Übergang zum Magen befinden. Etwa 6 von 10 Patienten mit Speiseröhrenkrebs haben ein solches Adenokarzinom. Liegt das Adenokarzinom mehr als zwei Zentimeter unterhalb des Übergangs, gilt es als Magenkrebs.

 

Im frühen Stadium können Schluckbeschwerden ein Warnsignal für Speiseröhrenkrebs sein. Mit einer Spiegelung der Speiseröhre klären Ärzte den Verdacht ab.

Die Behandlung bei Speiseröhrenkrebs erfolgt abhängig vom Tumorstadium. Betroffene benötigen neben der Tumortherapie eine individuelle Ernährungsberatung.

 

Risikofaktoren und Früherkennung

Als wichtigste Risikofaktoren für Speiseröhrenkrebs gelten Rauchen und hoher Alkoholkonsum.

Weitere Risikofaktoren sind zudem chronisches Sodbrennen und Übergewicht. Ein Tumor in der Speiseröhre kann aber auch ohne das Zutun bekannter Risikofaktoren auftreten.

Weitere Informationen beim Krebsinformationsdienst.

 

Rund um die Ösophagektomie

 

Definition

Operative Eingriffe am Ösophagos gelten als komplexe Eingriffe bzw. Hochrisikooperationen. Als Ösophagektomie bezeichnet man die operative Entfernung des Ösophagus. Sie kann als totale Ösophagektomie erfolgen oder subtotal unter Belassen eines Ösophagusstumpfes. Bei einer Teilentfernung spricht man auch von einer Ösophagusresektion.

 

Verfahren

Das Standardverfahren nach Ivor Lewis wird in kurativer Intention durchgeführt. Dabei erfolgt die Präparation des Magens von abdominal mit einer meist rechtsthorakalen Lymphknotendissektion, einer En-bloc-Ösophagektomie mit Entfernung von paraösophagealem Lymph- und Fettgewebe, sowie der Pleura mediastinalis und Vena azygos (abdomino-rechtsthorakaler Zweihöhleneingriff).

Je nach Zugang, Kontinuitätserhalt oder möglicher Lymphadenektomie können darüber hinaus verschiedene Versionen der Ösophagektomie durchgeführt werden.

 

Prognose

Die perioperative Mortalität beträgt in spezialisierten Zentren < 5 %.

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